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Das
russische |
Schon seit Beginn des US-Shuttle-Programms wollen die Gerüchte nicht mehr verstummen, daß auch die UdSSR an dem Projekt eines wiederverwendbaren Raumgleiters arbeitet. 1970 präsentierte der damalige Chef der US-Weltraumbehörde NASA, James Webb, der Öffentlichkeit zum erstenmal das, später nach ihm benannte, „Webb-Monster", eine angeblich fast 100 m hohe Kopie der amerikanischen SATURN-5-Rakete für den Schwerlasttransport ins All, das einige Zeit später als angebliche Kopie des US-Orbiters gedeutet wurde. Indirekte Bestätigung erhielten die Gerüchte durch eine Äußerung des sowjetischen Wissenschafts-Attaches in Washington, Anatoli Skripto, sein Land arbeite daran, „die Kosten für den Material-Transport in den Orbit drastisch zu reduzieren“. Ziel sei die Senkung des Kostenniveaus „auf ein Zehntel der Kosten des amerikanischen Raumgleiters“. Seither geistert der russische Shuttle immer wieder durch die Medien der westlichen Welt. Sein Start wird mittlerweile mit schöner Regelmäßigkeit angekündigt, in ihren neusten Prognosen tippen die Experten jetzt auf das Frühjahr 87. Ist nun wirklich etwas dran an diesen Meldungen? Ganz genau wissen es wohl nur die sowjetischen Verantwortlichen und Ingenieure. Selbst höchste westliche Regierungsstellen sind hier auf Informationen „aus zweiter Hand“ angewiesen, wobei die Aufklärungssatelliten der USA die hauptsächlichen Quellen darstellen dürften. Die Auswertung ihrer Aufnahmen wiederum ist oft eine Frage der Interpretation, und bei den enormen Mitteln, die die NASA und vor allen Dingen das Pentagon für ihre Weltraumprojekte benötigen, ist eine Tendenz zur Überschätzung der russischen Fähigkeiten sicherlich nicht ganz zu vermeiden. Allerdings wäre es auch sehr unwahrscheinlich, wenn die Sowjetunion die Möglichkeiten eines wiederverwendbaren Raumgleiters nicht einmal testen würde, zumal sie ihr Weltraumengagement auch weiterhin kräftig vorantreibt. Versucht man die zahlreichen, oft spekulativen und teilweise auch widersprüchlichen Meldungen zu diesem Thema zu deuten, so scheint es sich bei den beschriebenen Raumgleiter-Versionen in Wirklichkeit um zwei verschiedene Modelle zu handeln. Einmal um einen großen Transporter, wie ihn auch der amerikanische Shuttle darstellt, und das andere mal um einen kleineren Raumflugkörper, über dessen genaue Bestimmung bisher nur gemutmaßt werden kann. Die Frage, ob beide Typen dem gleichen Programm angehören oder zwei völlig eigenständige Projekte darstellen, bietet natürlich viel Freiraum für Interpretationen. Im Folgenden sollen sie jedoch getrennt abgehandelt werden, um so die ganze Materie ein wenig übersichtlicher zu gestalten. Die sowjetische Raumfähre Von dem direkten Gegenstück zum amerikanischen Space Shuttle existieren bisher noch keine autorisierten Darstellungen, was natürlich weitreichende Spekulationen über Konstruktion und Bauweise ermöglicht. Trotzdem erlauben die vom amerikanischen Verteidigungsministerium veröffentlichten Daten und das schon bekannte Wissen über die russische Raumfahrttechnologie eine Reihe von Rückschlüssen. Einig sind sich bisher alle westlichen Analytiker, daß es sich bei dem sowjetischen Shuttle zumindest äußerlich um eine ziemlich genaue Kopie seines amerikanischen Vorbildes handeln soll. In den ersten Presseveröffentlichungen des Pentagons war sogar von fast identischen Abmessungen die Rede. Mittlerweile wird jedoch angenommen, daß die russische Fähre insgesamt etwas kleiner ausfällt (trotzdem sollte man mit Wertungen zurückhaltend sein, eine Abqualifizierung als reines „rotes Kopierwerk“ wird den Fähigkeiten der sowjetischen Raumfahrt-Ingenieure sicherlich nicht gerecht). Wenn man den vorhandenen Angaben Glauben schenken darf, gelang es erstmals um die Jahreswende 1982/83 einem amerikanischen Aufklärungssatelliten, den russischen Shuttle auf dem Flugplatz der Erprobungsstelle Ramenskoje bei Moskau zu fotografieren. Offensichtlich hatten sich die russischen Ingenieure .für das gleiche Verfahren entschieden, mit dem schon die amerikanische Fähre ihren ersten Flugerprobungen unterzogen worden war und ihre Testeinheit auf den Rücken eines modifizierten „BISON“-Bombers montiert. Den Heckbereich schützte eine große kegelförmige Verkleidung zur Vermeidung aerodynamischer Turbulenzen. Beim Start ging jedoch laut amerikanischen Quellen etwas schief, die BISON/Shuttle- Kombination kam von der Startbahn ab und erlitt nicht weiter beschriebene Beschädigungen. Dies schien ein schwerer Rückschlag für das russische Programm gewesen zu sein, denn bis Mitte 1985 wurde offiziell nichts über weitere Testflüge bekannt. Mittlerweile scheint jedoch die russische Raumfähre ihre erste Bewährungsprobe erfolgreich bestanden zu haben. Dank integrierter Düsentriebwerke soll sie sich bei einer Reihe von Gleit- und Landeanflügen sogar weitaus manövrierfähiger als ihr amerikanisches Gegenstück erwiesen haben. Ob solche Triebwerke allerdings auch an Bord der Einsatzmodelle ihren Platz finden werden, sei dahingestellt. Die Aggregate und der benötigte Treibstoff würden die Nutzlastkapazität des Raumgleiters deutlich verringern, ein Grund, warum die NASA bei der Planung ihres Shuttle-Programms ähnliche Konzepte verworfen hatte. Demgegenüber stände allerdings eine weitaus höhere Sicherheit während der Landephase, dies mag auch der Grund sein, warum ihre Verwendung zumindest bei den Testmodellen erfolgt. Wie schon erwähnt, soll der sowjetische Shuttle äußerlich weitestgehend eine Kopie seines amerikanischen Vorbildes sein, wobei ihm das gleiche Gewicht und eine ähnliche Nutzlast zugeschrieben wird. Der Hauptunterschied dürfte in der Anordnung der Triebwerke liegen. Im spitz zulaufenden Heck der russischen Fähre sollen sich nur vier kleine Traktionstriebwerke befinden, während sich die Haupttriebwerke am großen Außentank der Shuttle-Startkonfiguration befinden. Dies wäre zwar eine konstruktionstechnische Vereinfachung, würde jedoch bei jedem Start den Verlust dieser teueren Baukomponenten bedeuten. Eine Kosteneinsparung gegenüber dem US-Shuttle dürfte somit recht unwahrscheinlich sein. Zusammen mit den Triebwerken soll der Tank eine Höhe von ca. 68 m erreichen. Seine beiden Seiten werden von zwei Boostern für die erste Startphase flankiert, die jedoch im Gegensatz zu den amerikanischen Konstruktionen Flüssigtreibstoff verwenden. Auch dies wird allgemein als technisches und ökonomisches Manko des sowjetischen Orbiters gewertet, doch spätestens seit der CHALLEN- GER-Katastrophe stellt sich die Frage, ob hierfür unaufhaltbar abbrennende Feststoffraketen wirklich die beste Lösung sind. Zudem würde eine Bergung wiederverwendbarer Booster in der Sowjetunion auf weitaus größere Schwierigkeiten als in den USA stoßen, da die russischen Weltraumbahnhöfe im Gegensatz zu Cap Canaveral und der Vandenberg Air Force Base weitestgehend von Landmassen umschlossen sind. Die Startkonfiguration der russischen Raumfähre dürfte auf ihrem Startplatz einen recht imposanten Eindruck abgeben und ihre Titulierung als „Webb-Monster“ durchaus rechtfertigen. Wie es nun mit den konstruktionstechnischen Details und Feinheiten im einzelnen aussieht, bleibt auch weiterhin reine Spekulation. Allerdings kann man wohl mit einigem Recht annehmen, daß sie in vielen Punkten ihrem amerikanischen Vorbild ähneln werden. Das bedeutet eine Bugsektion mit Cockpit und Aufenthaltsräumen der Besatzung, daran anschließend der Laderaum mit nach oben aufklappbaren Toren und einen abschließenden Heckbereich mit den hauptsächlichen Triebwerkskomponenten. Interessant wäre die Frage nach dem Hitzeschutz, hierfür werden offensichtlich Keramik-Kacheln verwendet. Auch der Einsatz von Brenn- Weltraumstationen. In diesem Fall bliebe ein im Laderaum platziertes Weltraumlabor wie z.B. das SPACELAB wohl eine Besonderheit des amerikanischen Shuttles. Die Frage nach Radiatoren, Roboterarmen und die Position der Mannschleuse ist, wie so vieles andere, nur mit den Original-Daten eindeutig zu beantworten. Hier bleibt nur die Hoffnung auf die neue Informationspolitik der „Glasnost“-Ära. Das Raumflugzeug „KOSMOLJOT“ Was den zweiten russischen Flugkörper angeht, so ist hier die Informationslage - zumindest was die äußere Form angeht - etwas besser. Durch einen glücklichen Zufall gelang es einem Lockheed ORION-Fernaufklärer der australischen Marine, ihn bei der Bergung südlich der Cocos-Inseln im Indischen Ozean zu fotografieren. Es handelte sich dabei um den zweiten in einer Reihe von insgesamt vier Versuchsflügen, die in den Jahren 1982 - 84 unter der Standardmissionsbezeichnung für russische Satelliten COSMOS (Nr. 1374,1445, 1517 und 1614) durchgeführt wurden. Die Starts erfolgten jeweils vom sowjetischen Weltraumbahnhof KAPUSTIN YAR, das Landegebiet wurde nach der „Geheimhaltungspanne“ beim zweiten Flug vom Indischen Ozean in das Schwarze Meer verlegt. Die Flugstrecke betrug durchschnittlich 1,2 Erdumkreisungen, Startrakete war jedesmal eine modernisierte SS-5 SKEAN. Die veröffentlichten Aufnahmen zeigen einen ca. 3 m langen Gleitflugkörper mit Flügeln und Seitenruder einschließlich integrierter Steuerflächen. An besonders hitzegefährdeten Bereichen des Rumpfes lassen sich ca. 15x15 cm große Hitzeschutzkacheln erkennen. Nach der Wasserung wurden zwei spitzhutartige Gebilde ausgefahren, bei denen es sich wahrscheinlich um Peilsender handelt. Die Landung erfolgte mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem Fallschirm; ob bei jedem Start der gleiche Flugkörper verwendet wurde, ist unbekannt. Das Auftauchen des russischen Mini-Shuttles verursachte in westlichen Expertenkreisen naturgemäß große Aufregung. Seine Rumpfform erinnerte stark an alte amerikanische Raumfähren-Entwürfe von 1968 und die noch älteren Test-Gleitflugkörper der amerikanischen Luftwaffe wie z.B. die US X-20. Einig waren sich die Fachleute darüber, daß es sich hierbei um ein verkleinertes Testmodell handeln mußte. Die US-Luftwaffe ließ den Flugkörper nach den Fotos rekonstruieren und in einem Windkanal testen. Die Resultate ergaben, daß die entsprechende aerodynamische Ideallinie gut getroffen worden war. Schließlich präsentierte das Pentagon den „KGS- MOLJOT“ genannten Mini-Shuttle in seiner Broschüre SOVIET MILITARY POWER als Vorläufer eines dreimal so großen „Kampfraumschiffs“ für Satellitenbekämpfung. Mit 2-3 Mann Besatzung an Bord soll es für den Start an der Spitze einer SS-9 SCARP-Rakete vorgesehen sein. Ob es sich bei dem „KOSMOLJOT“ wirklich um ein selbständiges Programm handelt, das später einmal auch zu einem eigenständigen Raumschiff-Typ führen wird, bleibt, wie schon erwähnt, fraglich. Genausogut denkbar wäre seine Verwendung als Erprobungseinheit für jene neuartige Technologie, die beim Bau des eigentlichen Shuttles benötigt wird. Andererseits hat die Stationierung der neuen russischen Raumstation MIR als Vorläufer eines großen Orbital-Komplexes eine Situation geschaffen, in der die alten SOJUS-Raumschiffe und PROGRESS- Transporter auf Dauer nicht ausreichen dürften. Ein kleinerer Raumgleiter wäre technologisch einfacher in den Griff zu bekommen und daher auch eher einsatzbereit. Auf diese Weise könnte er eine Art „Lückenbüßer“-Funktion übernehmen, bis sein großer Verwandter technisch ausgereift ist. Natürlich kann auch die vom amerikanischen Verteidigungsministerium ins Gespräch gebrachte militärische Verwendung nicht von der Hand gewiesen werden. Allerdings dürfte diese Wertung durch die Diskussion um das amerikanische SDI-Programm nicht unwesentlich beeinflußt worden sein. Wie die amerikanischen Versuche mit einem F-15-Jäger gezeigt haben, ist für die Satellitenbekämpfung ein einsatzbereiter Raumgleiter keine unbedingte Voraussetzung. Die Wahrheit dürfte-wie meistens - irgendwo in der Mitte liegen. |
Text und Zeichnung: © Christoph Anczykowski |
AUSBLICK Ob und wann ein russischer Space Shuttle seinen ersten Start durchführen wird, bleibt auch weiterhin reine Spekulation. Die letzten Prognosen über einen Flug im Frühjahr 1987 haben inzwischen gute Chancen, abermals revidiert zu werden, da bisher (Mai 87) noch nichts über derartige Startvorbereitungen bekannt geworden ist. Die Technologie eines Raumgleiters ist sehr komplex, wie auch die Verzögerungen zu Beginn des amerikanischen Programms und nicht zuletzt die CHALLENGER-Katastrophe gezeigt haben. Alles spricht dafür, daß die UdSSR bei der Verwirklichung ihrer Raumfahrtpläne eine langfristige Strategie verfolgt, die nicht auf kurzfristige spektakuläre Erfolge aus ist. Zudem stellt sich - auch für die Amerikaner - die Frage, ob die angestrebte drastische Reduzierung der Flugkosten mit dem Shuttle-Prinzip überhaupt erreicht werden kann. Der Raumgleiter wird oft als ein Entwurf der 60er Jahre bezeichnet, und schon diskutiert man völlig neue Konzepte, wie z.B. das britische HOTOL-Raumflugzeug. Daß auch in der Sowjetunion solche Überlegungen nichts Unbekanntes sind, zeigte 1984 die Äußerung des russischen Weltraum-Experten Roald Sagdjejew, daß man sich über die Wirtschaftlichkeit eines wiederverwendbaren Raumschiffes „immer noch nicht sicher sei“. Und bei der Versorgung der neuen russischen MIR- Station wurde neben den alten SOJUS- und PROGRESS-Raumschiffen auch neuartige „Wegwerf“-Versorger unter der alten Typenbezeichnung COSMOS eingesetzt, 15 t schwere Riesen mit schubstarken Triebwerken und großen Treibstoffvorräten. Trotzdem, über kurz oder lang dürfte sich der erste russische Space Shuttle von seiner Startrampe emporheben, dies gebietet schon alleine der aberwitzige militärisch-technologische Wettlauf der USA und UdSSR. Ob sich aber beide Supermächte auf Dauer solche kostspieligen Parallelentwicklungen leisten können, bleibt die Frage. Letztendlich liegt die Zukunft der Weltraumfahrt - und nicht nur die - in der Kooperation.
© Zeichnungen und Text: Christoph Anczykowski '87
Rißzeichnung der russischen Raumfähre (umseitig) Falls der russische Shuttle wirklich weitestgehend seinem amerikanischen Vorbild gleicht, dürften auch bei der Innenkonstruktion keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Der Bugspitze mit den kleinen Steuertriebwerken folgt der zweistöckige Aufenthaltsbereich der Besatzung einschließlich Cockpit. Dahinter befindet sich der große Laderaum mit seinen nach oben aufklappbaren Toren. Die Hecksektion verfügt nur über 4 Traktionstriebwerke, die möglicherweise kardanisch aufgehängt sind. Zur Hitze-Isolierung dürften wie beim US-Shuttle Keramik- Kacheln verwendet werden. Nicht berücksichtigt wurden bei dieser RZ die Radiatoren und die neuerdings beschriebenen Jet-Triebwerke. Falls sie auch in den Einsatzmodellen eingebaut sein sollten, befinden sie sich entweder ebenfalls im Heckbereich oder werden während der Landephase aus dem Mittelrumpf herausgeklappt. Zumindest der Prototyp soll auf seiner Rumpfoberfläche über rote Streifen zur erleichterten Kamera-Zielverfolgung verfügen. |
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Abmessungen und Leistungsdaten im Vergleich |
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Länge Spannweite Max. Höhe (Gesamtsystem) Startgewicht Shuttle (ohne Nutzlast) Gesamtsystem
Landegeschwindigkeit |
UdSSR-Shuttle (geschätzt) 32 m 23,5 m 68,0 m 65,0 t 1500,0 t
30,0 t 278 km/h |
US-Shuttle 37,19 m 23,79 m 56,14 m
67, 9 t 2042,5 t
29,48 t 334 km/h |