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Die Ära Stoessel und der Zerfall der klassischen Troika

Folge 1:
Die klassische Epoche

Die Geschichte der Risszeichnungen im Rückblick

Betrachtungen von
Günter PUSCHMANN und Gregor SEDLAG
aus dem Jahre 1983

Da vor geraumer Zeit die Risszeichnungen innerhalb der PERRY RHODAN-Serie ihr 100wöchiges Jubiläum feierten, nahmen wir uns dies zum Anlass, die Entwicklung und die Geschichte dieser sehr beliebten Zeichnungen kritisch und hoffentlich ausführlich unter die Lupe zu nehmen. Das Prinzip der Risszeichnungen, nämlich ein möglichst umfassendes Bild eines Gegenstandes von außen und von Innen zu vermitteln, dieses Prinzip begegnet uns häufig auf Zeichnungen aller Art, die  Flugzeuge, Schiffe oder zum Thema haben. Rudolf Zengerle hatte nun vor fast zwanzig Jahren die Idee, dieses Darstellungsprinzip auch auf die in der PERRY RHODAN-Serie beschriebenen Raumfahrzeuge anzuwenden, damit der Leser sich ein besseres Bild von dieser offensichtlich faszinierenden Technik machen kann.

Natürlich, wer heute einmal eine aktuelle RZ mit den frühen, aber trotzdem erfolgreichen RZ's diese "klassischen" Epoche vergleicht, mag versucht sein, in Hinblick auf Zengerles Werke, sie nicht einmal zu unrecht als Anfängergekritzel abzutun. Wer jedoch meint damit gleich die gesamte Frühphase unbeachtet lassen zu können, dem würde nicht nur eine ganze Anzahl interessanter und guter Zeichnungen entgehen, sondern auch wichtige Einsichten und Aspekte zur - in den RZ's angewandten - Zeichentechnik. Von wem stammen die Standard gewordenen Rotationskörper, Aufschnitt statt - inzwischen selten gewordenem Aufriss, Schemazeichnungen und eine ganze Menge mehr, das inzwischen von fast allen Risszeichnern eifrig als Darstellungs- und Stilmittel verwandt wird? 

Nun,  mit  Gewissheit  nicht  vom   bereits  erwähnten Rudolf Zengerle, der eigentlich immer noch als Stammvater der RZ's gilt..

Dieser Ansicht kann man allerdings nur dann zustimmen, wenn man das, was wir heute unter RZ's verstehen, außer acht lässt, was natürlich nicht in unserer Absicht liegt. Als den wahren Erfinder der Risszeichnungen (in unserem heutigen Verständnis) kann man daher allein Ingolf Thaler bezeichnen, der mit seinem Erstlingswerk, der CREST II eine Zeichnung präsentiert hat, die sich als wegweisend für die gesamte RZ-Szene herausstellen sollte. Beim Studium dieser Zeichnung (Besprechung folgt:) fällt es, wie auch bei all seinen anderen Zeichnungen, schwer zu glauben, dass Sie vor über einem Jahrzehnt entstanden ist, so modern wirkt sie in Stil und Zeichentechnik, beziehungsweise so weit lehnen sich die heutigen RZ's an die Konzeption dieser 'Ur-RZ' an. Waren in den ersten RZ's Zengerles nur Anhäufungen von meist würfelförmigen Aggregaten zu sehen, so erfand Thaler gleich in seiner CREST II die Rotationsaggregate, wie sie auch heute noch in fast jeder RZ zu finden sind.

Natürlich muss hier erwähnt werden, dass sämtliche Früh-RZ's zeichnerisch noch lange nicht perfekt waren, was den Kunstgenuss zumindest bei Thalers Arbeiten nicht im mindesten schmälert. Ingolf Thaler brachte außerdem seine Aggregatekonstruktionen in einen logischen Zusammenhang (Kausaldependenz wäre unser Vorschlag zur Nomenklatur dieser wichtigen Neuerung innerhalb der RZ-Historie!), so dass das Raumschiff zum Beispiel als Ganzes, als Einheit gesehen und verstanden werden konnte und somit die 'Innereien' des Raumers nicht mehr einzeln und isoliert in den Räumen standen, wie es bis zur CREST IV bei Rudolf Zengerles Kugelraumerarmarda Gang und Gebe war.

Gleichfalls mit der CREST II kreiert Thaler den sogenannten Kavaliersaufschnitt, der dem Betrachter einen vollständigen Einblick in die Technische Innenausstattung des Objektes bietet, ohne dass ein solch wilder Eindruck entsteht, wie bei Zengerles, glücklicherweise nie ganz ausgestorbenen, Rausreißmethode.

Wer sich  diese  drei Thalerschen  Erfindungen,  die  Rotationsaggregate,  die  Kausaldependenz und die Aufschnittmethode vor Augen hält, auch ja, da käme als vierte Erfindung noch die Schemazeichnung anstelle der Nummernkreise in der RZ dazu, der wird verstehen, weshalb Ingolf Thaler der eigentliche Vater der RZ's ist; auch wenn er erst später Zeichnungen veröffentlichte als Rudolf Zengerle (Zengerle konnte zur Zeit des Erscheinens der CREST II bereits auf zwölf Veröffentlichte RZ's zurückblicken!). Verfolgt man die Geschichte der Risszeichnung innerhalb der PR-Serie (keine Angst: Unsere Betrachtung wird nicht auf diese Serie beschränkt bleiben) nach Veröffentlichung der CREST II nun weiter, so wird deutlich, welchen Einfluss der Neuling Ingolf Thaler auf  Zengerle hatte. Es ging schließlich soweit, dass dieser seinen anfänglichen Stil völlig aufgab und die Techniken Thalers übernahm. Das beste Beispiel hierzu stellt die CREST IV, ein sogenanntes Ultraschlachtschiff der GALAXIS-Klasse, dar. Man könnte fast meinen, eine weiter entwickelte, zeichnerisch saubere und detailliertere Version der CREST II vor sich zu haben, so sehr hat sich Zengerle an Thaler Zeichnung und Zeichenstil gehalten.

Die Außengestaltung, insbesondere die des dreigeteilten Ringwulstes ähnelt der CREST II in frappanter Art und Weise. Die Korpuskulartriebwerke sind regelrecht kopiert und das Verbundsystem der Röhren und Leitungen ist zwar nicht so deutlich, aber durchaus erkennbar vorhanden.

Etwas muss man Rudolf Zengerle trotz allem zu Gute halten. Seine Graphiken zeichneten sich von Anfang an durch eine sehr gute Plastizität aus. Diesen räumlichen Ausdruck erreichte er hauptsächlich durch seine exzellenten Schraffuren, was besonders beim PALADIN I (einem Höhepunkt Zengerles Werkes) deutlich wird. Diese Schraffuren brachten aber nicht nur einen guten optischen Eindruck, sondern sie erzeugten auch äußerst weiche Konturen und Übergänge, die den sonst etwas kantigen Stil  Zengerles abrundeten.

Um noch einige Höhepunkte dieses Zeichners in der ersten Phase (bis ca. PR-Band 500) zu nennen, so wäre da außer dem schon erwähnten PALADIN I noch das Springerbeiboot, Ribald Corellos Schrein und der Nullzeitdeformator.

Die weitere Entwicklung Ingolf Thalers, der in seiner RZ-Laufbahn (leider) nur auf 13 PR-RZ's (sowie eine sehr gute ATLAN-RZ) kam, enthüllte weitere Überraschungen und Höhepunkte. Die erste war die Zeichnung der RAUMHAFENS MARS PORT, womit er bewies, dass Risszeichnungen nicht unbedingt an Raumschiffsdarstellungen gebunden sein müssen, sondern auch auf andere Bereiche der Rhodan'schen Technik ausgedehnt werden können. Aber außer der Nicht-Raumschiff-RZ vermittelte Ingolf Thaler Planetenaufschnitt endlich einmal einen Eindruck, wie man in der Rhodan-Welt des dritten und vierten Jahrtausends lebt, und wie es dort in der Alltagswelt eines Normalterraners aussieht.

Als DEN Höhepunkt von Thalers normalen Raumschiffszeichnungen muss man sicherlich OLD MAN nennen, noch vor einer weiteren Spitzen-RZ von Ihm, der MARCO POLO. Ihm ist es trotz der wahrhaft gigantischen Ausmaße dieses Objektes (eine Halbkugel von 200 km Grundflächendurchmesser) gelungen, eine relativ maßstabsgetreue  Zeichnung  daraus  zu machen  und dem zu machen und dem Betrachten einen Eindruck von der Größe OLD MANs zu geben. Das liegt unter anderem daran, dass Thaler hier eine Darstellung der Fluchtpunktperspektive gewählt hat, anstatt der sonst üblichen Parallelperspektive. Zwar sind viele der im Mittelteil sichtbaren Aggregatkonstruktionen nicht eindeutig identifizierbar, aber dafür erkennt man eine verwirrende Anzahl und Aufteilung von Zwischendecks, die ihrerseits wieder OLD MANs Größe veranschaulichen. Einen weiteren Höhepunkt stellt die schon kurz erwähnte MARCO POLO erwähnte dar, bei deren zeichnerischen Umsetzung sich Thaler wieder etwas besonderes ausgedacht hatte. Er zeigt einen Ausschnitt des Ultraschlachtschiffes, das von einer Schar 100-m-Kreuzer angeflogen wird, die von einer Gesamtansicht der MARCO POLO kommen. Thaler hat dabei auf eine starke Nummerierung beziehungsweise Beschreibung der Einzelheiten zwar verzichtet, was aber dem Verständnis der Zeichnung nicht abträglich ist. Da die Aggregate der MARCO POLO (natürlich ineinander verschachtelt und verbunden) äußerst interessant und kompliziert sind, würde eine genauere Festlegung eher die Phantasie des Betrachters beeinträchtigen.

Alle in dieser Folge namentlich genannten RZ's sind für den Sammler und Interessenten im ersten RZ-Sammelband des Pabel/Moewig-Verlages zur PR-Serie zu finden.

Überhaupt können die bisher erschienenen vier RZ-Sammelbände als Standardwerke angesehen werden und sind eigentlich unumschränkt empfehlenswert.

 

Quellennachweis:

CREST II   Thaler - PR I Nr. 278

MARS PORT   Thaler - PR I Nr. 301

OLD MAN   Thaler - PR I Nr. 370

Beiboot der Springer  Zengerle - PR I Nr. 398

PALADIN I   Zengerle - PR I Nr. 412

CREST IV   Zengerle - PR I Nr. 421

Ribald Corellos Schrein  Zengerle - PR I Nr. 439

Nullzeitdeformator  Zengerle - PR I Nr. 461

MARCO POLO  Thaler - PR I Nr. 465

© 1983 by Günter Puschmann
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